03.02.2019

Lappland . ein Land, das es nicht gibt, an der Schwelle zum Massentourismus

Meine Gäste nicken jeweils wissend, wenn ich ihnen erzähle, dass viele Leute keine grosse Ahnung haben, wo Lappland liegt. Das hat einen Grund: Lappland ist eine alte Bezeichnung für das Gebiet, in dem das indigene Volk der Sami lebt. Und dieses Gebiet erstreckt sich über Teile von Schweden, Norwegen, Russland - und eben auch Finnland. Die Sami in Finnland kommen auf einen Bevölkerungsanteil von rund vier Prozent. Sie sprechen verschiedene samische Sprachen und die Rentierzucht befindet sich in ihrer Hand. Es gibt aber auch Samen, die in die Städte abgewandert sind.

Ruka/Kuusamo befindet sich ca. 60 km vom Polarkreis weg und liegt deshalb genau genommen noch nicht in Lappland. Aber die Landschaft ist hier dieselbe, die harschen Minustemperaturen sind dieselben und obendrein handelt es sich auch noch um die schneereichste Gegend Finnlands.

Als ich vor bald 20 Jahren zum ersten Mal nach finnisch Lappland kam, gab es zwar bereits einen Lappland-Tourismus, aber dieser war noch wenig entwickelt. Es gab auch damals schon Huskytouren und Igloos zum Übernachten, und auch den Besuch der samischen Rentierfarmen war schon auf dem Programm. Aber damals war die Reise in den winterlichen Norden etwas für die Fans des Nordens. Andere verirrten sich im Winter kaum in die Gegend des Polarkreises.

Ruka, mein Aufenthaltsort, ist bekannt für seine Sprungschanze, die 1964 fertiggestellt wurde und mit ihrer Keramikspur und Beschneiungsanlage als die grösste Skisprungschanze der Welt für eine ganzjährige Nutzung gilt. Auch das Skigebiet ist schon älter. Die erste Piste wurde 1954 eröffnet. Ruka war lange ein Skigebiet für Finnen. Das heutige Ruka Village in seiner heutigen Form ist gerade mal etwas älter als zehn Jahre.

Sprungschanze in Ruka
Der Traum der perfekten Winterlandschaft 

Nun sind in den letzten Jahren zunehmend mehr Menschen in Europa auf der Suche nach der perfekten Winterlandschaft . Es zieht sie in die vor der eigenen Haustüre nicht mehr in diesem Ausmass vorhandene Natur und in den Schnee. Was bei uns undenkbar ist, nämlich Ferien in einem Blockhaus im Wald oder zumindest umgeben von Bäumen, wird hier für viele zum ersten Mal Realität. Zu Fuss, mit Schneeschuhen oder auf den Langlaufskiern kann man ab Haustüre ins Winterabenteuer starten oder lässt sich zu einer der verschiedenen von lokalen Anbietern organisierten Aktivitäten abholen. Es gibt keinen Dichtestress, keine Staus, keinen Flugzeuglärm, es ist mehr oder weniger einfach still.
Noch sind die Reisegruppen einigermassen überschaubar, der «Miniflughafen» Kuusamo kommt noch mit zwei Rollbändern aus. In absehbarer Zeit wird sich dies wohl ändern. Mit jedem weiteren Foto, das über ein Handy in die Welt gesandt wird, denken mehr Menschen daran, einmal in ihrem Leben in den winterlichen Norden zu reisen. Auch der «Hype» um die Nordlichter hat zu diesem Trend beigetragen, obwohl man solche nicht auf Kommando herbeizaubern kann. Entweder man hat Glück oder nicht. Und dann sind da noch die Reisenden aus Asien. Über Weihnachten und Neujahr stürmen jeweils rund 300'000 asiatische Gäste Rovaniemi, weil man dort den Weihnachtsmann besuchen kann. Eine Marketingstrategie, die so gut aufgegangen ist, dass sie einen schon fast das Fürchten lehrt.

Ruka – heute Ausgangspunkt für Winteraktivitäten jeglicher Art

In den letzten 15 Jahren sind in Ruka Village 3'000 Betten entstanden. Das ist für schweizerische Verhältnisse nichts. In der Grossregion Ruka/ Kuusamo aber sind es allerdings weit mehr. Man nimmt sie jedoch kaum wahr, weil sie in Form von Blockhäusern weit verstreut in den Wäldern und in der Nähe der Seen liegen. Und seit etwas mehr als zehn Jahre entwickelt sich in Ruka diejenige Art von Wintertourismus, die wir mit Lapplandferien verbinden. Heute reicht das Angebot von Schneeschuhtouren in den umliegenden Nationalparks bis zu Ausfahrten mit dem Huskyschlitten, Snowmobilesafaris z.B. an die nahe russische Grenze, und  Besuchen einer Rentierfarm. Das Interessante dabei: Das Angebot hat durchaus noch einen Charakter, den man als einfach und ehrlich bezeichnen könnte. So trägt der Guide bei der Schneeschuhtour in den Riisitunturi Nationalpark einen einfachen Brötchenlunch mit und entfacht in der Schutzheute ein Feuerchen oder die Leiterin einer anderen Schneeschuhtour wärmt im Oulanka Nationalpark die Suppe für die Gäste am offenen Feuer auf. Das klingt nicht nach Massentourismus.  Und das Eisfischen ist keine Beschäfitung, die für Touristen erfunden wurde. Sie ist bei den Finnen selbst äusserst beliebt. Trotzdem fragt sich, wie lange man dem Besitzer einer Rentierfarm noch beim Füttern seiner Tiere zuschauen kann und dabei inmitten der Herde steht. Viele dieser Angebte sind beschränkt grossgruppentauglich. Ich hüte mich, hier eine Prognose zu stellen, wie es weitergehen wird.

Durch die Stille gleiten auf den Langlaufskis

Nebst allem anderen darf man des Finnen Nationalsport nicht vergessen: den Langlauf. So gibt es rund 150 km Langlaufpisten nur schon in und um Ruka, die durch die Wälder sowie auf und entlang den Seen führen. Diese Fortbewegungsart ist mein persönlicher Favorit. Es gibt nichts Schöneres als durch die Stille zu gleiten und das nächste Loipenkaffee anzupeilen mit Kaffee, Kakao, leckeren Gebäcken und Suppe. Der Unterschied zur Schweiz: Man ist für sich. Bis Mitte Februar sind die Loipen mit Ausnahme der Weihnachtszeit nicht sehr rege benutzt. Der klassische Langlauf ist hier ebenso verbreitet wie das Skaten. Das freut mich, denn ich laufe klassisch und gemächlich.

Mein persönliches Fazit

Aus meiner ganz persönlichen Sicht steht zumindest finnisch Lappland (für Schweden und Norwegen kann ich nicht sprechen) wohl schon an der Grenze zum Massentourismus wie der Leiter eines führenden Reisebüros für den Norden vor zwei Jahren geschrieben hat. Die lokale Infrastruktur hier kann gerade noch mit der steigenden Anzahl Gäste mithalten. Für Menschen, die Ruhe und Frieden in der Natur suchen, wird es in der Weite von finnisch Lappland trotzdem noch lange ein Plätzchen geben.