Im Dunkeln tappen? Von wegen! Einige Erhellungen zur Polarnacht

«Das könnte ich nie: Irgendwohin gehen, wo es die ganze Zeit dunkel ist!» Das war eine Bemerkung, die ich relativ häufig zu hören bekam, als ich ankündigte, dass ich diese Saison noch weiter in den Norden, nach Levi, gehen würde. Wie dunkel es sein würde, wusste ich nicht so genau. Mittlerweile habe ich es erfahren und schiebe hier auch noch den einen oder anderen Fakt nach.

Was ich wusste, dass in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr die Sonne nicht aufgeht. Knapp war das Tageslicht auch letztes Jahr, in Ruka, schon, gut 50 km unter dem Polarkreis. Aber das war nicht der Polarnacht geschuldet. Das Problem ist mehr, dass es aufgrund des bedeckten Wetters manchmal einiges länger gehen kann, bis man in diesen Breitengraden und dem wenigen Licht über Mittag überhaupt wieder einmal die Sonne sieht. Auf dem Polarkreis dauert die Polarnacht lediglich einen Tag. In Levi befinde ich mich jedoch ca. 135 km über dem Polarkreis, und hier gibt es die Polarnacht sehr wohl.

Die Polarnacht

Wenn sich die Erdachse im Vergleich zur Umlaufbahn der Sonne stark neigt, entsteht die Polarnacht. Genau das passiert ober nördlich des Polarkreises im Winterhalbjahr. Die Polarnacht ist aber, im Gegensatz zu ihrem abenteuerlich klingenden Namen, nicht einfach rabenschwarz.

Zunächst kann die Sonne auch in bestimmten Gegenden oberhalb des Polarkreises noch gesehen werden, weil diese als Scheibe einen gewissen Radius hat. So reicht die obere Hälfte der Sonnenscheibe manchmal auch nördlich des Polarkreises noch kurz über den Horizont. Kommt das Phänomen dazu, dass das Sonnenlicht beim Eintritt in die Erdatmosphäre so umgeleitet wird, dass man den oberen Rand der Sonne an Orten sehen kann, wo per definitionem Polarnacht herrschen würde. Das kann ich nur bezeugen. Am 27. Dezember machten sich in Levi zahlreiche Touristen mit ihren fahrbaren, aber nicht immer schneetauglichen Untersätzen auf die steil ansteigende, vereiste Strasse zum Levitunturi und richteten dort ein Verkehrschaos an. Alle wollten den Sonnenschimmer sehen! Er bescherte den Beobachtenden ein unbeschreiblich schönes, mystisches Lichtspiel, bevor es wieder einzunachten begann. Und das während der Tage, an denen es genaugenommen kein Tageslicht gibt!

Dauer der Polarnacht in Kittilä

Levi gehört politisch zu Kittilä, weshalb ich die Angaben vom rund 13 km südlicher liegenden Kittilä genommen habe. Die Sonne geht hier während 16 Tagen nicht mehr auf. Dieses Jahr war das vom 14. Dezember (Tag unserer Ankunft) bis zum 29. Dezember der Fall. Seit dem 30. Dezember geht es nun aber rasend schnell: Bereits gute zwei Wochen später ist der Sonnenaufgang bereits wieder um 10.47 Uhr, der Sonnenuntergang um 14.12 Uhr. Das heisst, bereits Mitte Januar ist es wieder 3 Stunden und 25 Minuten hell, nur zwei Wochen nach der Polarnacht. Zum Vergleich: In einem Monat, also Mitte Februar, wird die Tageslänge knapp 8 Stunden betragen. Und es muss ja rasch gehen, wenn man bedenkt, dass im Juni die Sonne dann nicht mehr untergehen wird und umgekehrt Mitternachtssonne herrscht.

Interessant sind die Dämmerphasen

Interessiert man sich für die Tageslängen, stolpert man unweigerlich über die Begriffe «Bürgerliche» «Nautische» und «Astronomische» Dämmerung. Damit wird für jede Phase vom geometrischen Mittelpunkt der Sonne aus die Anzahl Grad unterhalb des Horizonts gemessen. Die hellste Dämmerphase ist die bürgerliche, während der man ohne zusätzliche Lichtquelle auskommt. Die dunkelste ist die «Astronomische Dämmerung».

Während der Phase der «Nautischen Dämmerung» (die ihren Namen übrigens der Seefahrt verdankt) kann, sofern der Himmel klar bzw. «offen» ist, ein eindrückliches Farbenspiel beobachtet werden. Dieses mündet in der "Blauen Stunde". Diese umschreibt die Phase, in der die Sonne so weit unter den Horizont gesunken ist, dass das Spektrum der Farbe Blau dominiert. Auch wer nicht beim ersten Besuch in Lappland bereits das Glück hat, Nordlichter zu sehen, kann während dieser Jahreszeit immerhin die farblichen Nuancen geniessen, die die dunkelsten Wochen des Jahres mit sich bringen.